LiebesgedichteLiebesgedichte

Eine Liste schöner Gedichte - Klassiker als auch moderne; sowohl kurz als auch lang - und manche sind auch lustig.


Die Poesie ist die Schatzkammer des menschlichen Geistes, in welche er niederlegt, was er im Leben gewonnen hat. [Wilhelm Grimm]

Prolog

Ich sitze hier am Schreibetisch
Und schreibe ein Gedichte.
Indem ich in die Tinte wisch
Und mein Gebet verrichte.

So gibt sich spiegelnd Vers an Vers
In ölgemuter Glätte.
Nur selten fragt man sich: Wie waers,
Wenn es mehr Seele hätte?

Die Seele tut mir gar nicht weh,
Sie ist ganz unbeteiligt.
Nackt liegt sie auf dem Kanapee
Und durch sich selbst geheiligt.

Des Abends geh ich mit ihr aus,
Im Knopfloch eine Dahlie.
Ich selbst heiße Stanislaus,
Sie aber Amalie.

Klabund


Poesie ist das spontane Überschwappen mächtiger Stimmungen; sie entspringt dem Gefühl, das sich in der Stille besinnt. [William Wordsworth]

Der langsame Leser

Ein Leser, welcher fühlt und denkt,
Sucht gern im Lesen zu verweilen,
Erst, um des Dichters Sinn zu teilen,
Dann in sich selbst zurückversenkt.

Karl Mayer

Ein gutes Wort wirkt schöpferisch und erweckt neue Ideen. Eine alberne Bemerkung kann eine ganze Saat verwüsten.
Tadeln ist leicht, deshalb versuchen sich so viele darin. Mit Verstand loben ist schwer, darum tun es so wenige.

Niemand urteilt schärfer als der Ungebildete; er kennt weder Gründe noch Gegengründe und glaubt sich immer im Recht.
Das echte Kunstwerk bedarf keiner Vermittlung. Es spricht oder schweigt, je nach der Natur des Beschauers.

Anselm Feuerbach; "Kunstkritik"

Mut, Gesang und Gaunerei

Wir wissen alle von nichts.
Wir tappen im Dunkeln.
Wir sehen den Schimmer des Lichts
Im Spiegel nur funkeln.

Wir wollen nicht fragen,
Die Antwort macht kühl.
Wir lassen uns tragen
Von unsrem Gefühl.

Wir lassen uns treiben
Im Schein und vom Schein.
Wir können nicht bleiben.
Doch wollen wir sein.

Joachim Ringelnatz


1945 schrieb Thomas Stearns Eliot (1888 - 1965) "Ein Dichter muss seine eigene Sprache, wie sie um ihn herum tatsächlich gesprochen wird, als Material nehmen." Dementsprechend ist die Pflicht des Dichters, wie T.S. Eliot 1943 in einer Vorlesung betonte, "nur indirekt gegenüber dem Volk: seine direkte Pflicht ist es, seine Sprache zu bewahren und sie zu erweitern und zu verbessern." Damit lehnt er die sogenannte "soziale Funktion" der Poesie ab. Die einzige "Methode", so schrieb er einmal, sei es, "sehr intelligent zu sein".
Infolgedessen hat seine Poesie "alle Vorteile einer sehr kritischen Geisteshaltung", schreibt Al Alvarez (1929 - 2019; "es gibt eine Kühle inmitten der Verwicklung; er benutzt Texte genau für seinen eigenen Zweck; er lässt sich nicht hinreißen. Daraus ergibt sich die Vollständigkeit und Unantastbarkeit der Gedichte. Was er in ihnen tut, kann man nicht weiter.... Man hat den Eindruck, dass er alles, worauf er seine Aufmerksamkeit richtet, mit gleicher Auszeichnung vortragen würde." Alvarez glaubt, dass "die Stärke von Eliots Intelligenz in ihrer Ausbildung liegt; sie ist das Produkt einer vollkommen orthodoxen akademischen Ausbildung."
Jacques Maritain (1882 - 1973) jedoch sagte seinerzeit zu Marshall McLuhan (1911 - 1980), dass "Eliot so viel Philosophie und Theologie kennt, dass ich nicht verstehe, wie er überhaupt Gedichte schreiben kann". Eliot selber hat jedoch nie einen Konflikt zwischen akademischer und kreativer Tätigkeit erkannt.

Das Bilderbuch

Von der Poesie sucht Kunde
Mancher im gelehrten Buch,
Nur des Lebens schöne Runde
Lehret dich den Zauberspruch;
Doch in stillgeweihter Stunde
Will das Buch erschlossen sein,
Und so blick ich heut hinein,
Wie ein Kind im Frühlingswetter
Fröhlich Bilderbücher blättert,
Und es schweift der Sonnenschein
Auf den buntgemalten Lettern,
Und gelinde weht der Wind
Durch die Blumen, durch das Herz
Alte Freuden, alten Schmerz —
Weinen möcht ich, wie ein Kind!

Joseph von Eichendorff

Natur und Kunst

In zarter Bläue spannt des Himmels Bogen
kristallklar sich in ungemessene Weiten…
Lichtgrüne Buchen- und dunkle Tannenwälder
besäumen sonnig goldbeglänzte Fluren…
Perlmutterfarben breitet sich der See,
leicht kräuselnd sich im Spiel des Abendwindes…

In sattem Grün sich dehnen duftige Matten,
ansteigend sanft zu hehren Bergeshöh’n…
Und schwärzlich ragt der Alpen mächtiger Fels,
gekrönt vom Silberschein des ewigen Schnees. –
Ich atme tief und weite meine Arme,
zu fassen all das Schöne, Urgewaltige…

Franz Fenners-Feuerlein (Anfang 19. Jh., genauere Lebensdaten sind nicht bekannt); Strophe 4 und 5


Und ich habe mich so gefreut!
sagst du vorwurfsvoll,
wenn dir eine Hoffnung zerstört wurde.
Du hast dich gefreut – ist das nichts?

Marie von Ebner-Eschenbach


Um eines Verses willen muss man viele Städte sehen, Menschen und Dinge, man muss die Tiere kennen, man muss fühlen, wie die Vögel fliegen, und die Gebärde wissen, mit welcher die kleinen Blumen sich auftun am Morgen.

Man muss zurückdenken können an Wege in unbekannten Gegenden, an unerwartete Begegnungen und an Abschiede, die man lange kommen sah, - an Kindheitstage, die noch unaufgeklärt sind, an die Eltern, die man kränken musste, wenn sie einem eine Freude brachten und man begriff sie nicht (es war eine Freude für einen anderen) -, an Kinderkrankheiten, die so seltsam anheben mit so vielen tiefen und schweren Verwandlungen, an Tage in stillen, verhaltenen Stuben und an Morgen am Meer, an das Meer überhaupt, an Meere, an Reisenächte, die hoch dahin rauschten und mit allen Sternen flogen, - und es ist noch nicht genug, wenn man an alles das Denken darf.

Man muss Erinnerungen haben an viele Liebesnächte, von denen keine der andern glich, an Schreie von Kreißenden und an leichte, weiße, schlafende Wöchnerinnen, die sich schließen.
Aber auch bei Sterbenden muss man gewesen sein, muss bei Toten gesessen haben in der Stube mit dem offenen Fenster und den stoßweisen Geräuschen…

Rainer Maria Rilke; "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge", Roman


Hier sass ich, wartend, wartend, — doch auf Nichts, Jenseits von Gut und Böse, bald des Lichts Geniessend, bald des Schattens, ganz nur Spiel, Ganz See, ganz Mittag, ganz Zeit ohne Ziel. Da, plötzlich, Freundin! wurde Eins zu Zwei — Und Zarathustra ging an mir vorbei…

Friedrich Nietzsche


Andererseits ist Kommunikation ganz offensichtlich eine Conditio sine qua non menschlichen Lebens und gesellschaftlicher Ordnung. [Paul Watzlawick u.a.: Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien]


Aber öffne nur die Türe,
Aber tritt nur auf die Schwelle,
Hebe kaum den Blick und spüre
Schon die ungeheure Helle,
Schon den Glanz der leeren Räume,
Die wie Wiese rasch erblühten,

Schon den Tanz der schweren Träume,
Die sich hoben, die erglühten…
Zärtliche beschwingte Welle,
Sieh, kein Lufthauch, der nicht rühre – –
Aber tritt nur auf die Schwelle,
Aber öffne nur die Türe!

Maria Luise Weissmann (1899 - 1929)

Conditio Sine Qua Non

Seufzend schreibt ihr der Poet:
„Bist du heute guter Dinge?
Wenn ich wüsste , wie’s dir ginge,
wüsste ich, wie mir es geht.“

Erich Kästner; der Titel bedeutet: „notwendige Bedingung, unabdingbare Voraussetzung“; wörtlich: „Bedingung, ohne die nicht …“

Spanisch

An dem Quell der Langeweile
Lag die Dichtkunst hingegossen.
Ihre Kinder, die Vokale,
Brachten große Wasserblumen;
Aus den Blumen Funken wurden,
Kleine Lichter funkelnd kamen,
Die zu Wasser bald erloschen,
Als Romanzen talwärts eilen,
Die nun fließen, die nun funkeln,
Auf des Klanges leichten Spuren.

Friedrich Schlegel

Der Tannhäuser III

Und als ich auf dem Sankt Gotthard stand,
Da hört ich Deutschland schnarchen;
Es schlief da unten in sanfter Hut
Von sechsunddreißig Monarchen.

In Schwaben besah ich die Dichterschul,
Gar liebe Geschöpfchen und Tröpfchen!
Auf kleinen Kackstühlchen saßen sie dort,
Fallhütchen auf den Köpfchen.

Zu Frankfurt kam ich am Schabbes an,
Und aß dort Schalet und Klöse;
Ihr habt die beste Religion,
Auch lieb ich das Gänsegekröse.

In Dresden sah ich einen Hund,
Der einst gehört zu den Bessern,
Doch fallen ihm jetzt die Zähne aus,
Er kann nur bellen und wässern.

Zu Weimar, dem Musenwitwensitz,
Da hört ich viel Klagen erheben,
Man weinte und jammerte: Goethe sei tot,
Und Eckermann sei noch am Leben!

Zu Potsdam vernahm ich ein lautes Geschrei -
Was gibt es? rief ich verwundert.
»Das ist der Gans in Berlin, der liest
Dort über das letzte Jahrhundert«

Zu Göttingen blüht die Wissenschaft,
Doch bringt sie keine Früchte.
Ich kam dort durch in stockfinstrer Nacht,
Sah nirgendswo ein Lichte.

Heinrich Heine; Strophen 11-17

Lasst uns schwelgen in unserem unberechenbaren Kessel, in unserer fesselnden Verwirrung, in unserem Sammelsurium von Impulsen, in unserem immerwährenden Erstaunen - denn die Seele bringt jede Sekunde Wunder hervor.
Bewegung und Veränderung sind das Wesen unseres Seins; Starrheit ist der Tod; Konformität ist der Tod; sagen wir, was uns in den Sinn kommt, wiederholen wir uns, widersprechen wir uns, werfen wir den wildesten Unsinn hinaus und folgen wir den phantastischsten Fantasien, ohne uns darum zu kümmern, was die Welt tut oder denkt oder sagt. Denn nichts zählt außer dem Leben. [Virginia Woolf]

Prolog

Ich sitze hier am Schreibetisch
Und schreibe ein Gedichte,
Indem ich in die Tinte wisch
Und mein Gebet verrichte.

So giebt sich spiegelnd Vers an Vers
In ölgemuter Glätte.
Nur selten fragt man sich: Wie wärs,
Wenn es mehr Seele hätte?

Die Seele tut mir gar nicht weh,
Sie ist ganz unbeteiligt,
Nackt liegt sie auf dem Kanapee
Und durch sich selbst geheiligt.

Des Abends geh ich mit ihr aus,
Im Knopfloch eine Dahlie.
Ich selber heiße Stanislaus,
Sie aber heißt Amalie.

Alfred Georg Hermann Henschke, genannt "Klabund" (1890 - 1928)


Ich habe mich eifrig bemüht, des Menschen Tun weder zu belachen, noch zu beweinen, noch zu verabscheuen, sondern es zu begreifen. [Baruch de Spinoza (1632 - 1677); eigentlich Benedictus d'Espinosa, holländischer Philosoph]


Ein Intellektueller erklärt eine einfache Sache auf eine komplizierte Art. Ein Künstler beschreibt eine komplizierte Sache auf eine einfache Weise. [Charles Bukowski]


Es war ein Sonntag hell und klar,
Ein Sonntag, wirklich wunderbar,
Der Sonntag war so einzig schön,
Ich hab' nicht leicht an schöner'n g'sehn,
Er geht ei'm wirklich durch's Gemüt.

Wenn man an solchen Sonntag sieht.
Doch dauerte es gar nicht lang,
Weil bald der Abend kam heran,
Stockfinster wurd' es um mich her
Und ich sah keinen Sonntag mehr.

Karl Valentin; Der berühmte Kabarettist stellte sich häufig so vor: »Ich, Karl Valentin, ein Münchner Komiker, bin der Sohn eines Ehepaares. Aus Gesundheitsrücksichten erlernte ich im Alter von zwölf Jahren die Abnormität.«
Dann folgte, was Kurt Tucholsky einen »Höllentanz der Vernunft um beide Pole des Irrsinns« nannte und Bertolt Brecht als einen »durchaus komplizierten, blutigen Witz« lobte.


Mein Schiff ist fest. Es leidet keinen Schaden.
mit Ausdruck aber ohne Leidenschaft.
Durch Sturm und bösen Wind verschlagen,
irr‘ auf den Wassern ich umher;
wie lange? weiss ich kaum zu sagen,
schon zähl‘ ich nicht die Jahre mehr.

Unmöglich dünkt mich, dass ich nenne
die Länder alle, die ich fand: –
das Eine nur, nach dem ich brenne,
ich find‘ es nicht – mein Heimatland!
Vergönne mir auf kurze Frist dein Haus,
und deine Freundschaft soll dich nicht gereu’n!

Mit Schätzen aller Gegenden und Zonen
ist reich mein Schiff beladen; willst du handeln,
so sollst du sicher deines Vorteils sein.

Richard Wagner; "Der fliegende Holländer" (1843)

Desiderata

Gehe ruhig inmitten des Lärms und der Eile, und denke daran, welcher Frieden in der Stille liegen kann. Sei so weit wie möglich, ohne zu kapitulieren, mit allen Menschen auf gutem Fuß. Sprich deine Wahrheit ruhig und deutlich aus und höre den anderen zu, auch den Dummen und Unwissenden; auch sie haben ihre Geschichte. Vermeide laute und aggressive Personen; sie sind lästig für den Geist.

Wenn du dich mit anderen vergleichst, kannst du eitel oder verbittert werden, denn es wird immer Menschen geben, die größer und kleiner sind als du. Genieße deine Erfolge und deine Pläne. Bleiben Sie an Ihrer eigenen Karriere interessiert, wie bescheiden sie auch sein mag; sie ist ein echter Besitz in den wechselnden Geschicken der Zeit. Seid vorsichtig in euren geschäftlichen Angelegenheiten, denn die Welt ist voller Täuschungen. Aber das soll dich nicht blind machen für die Tugenden, die es gibt; viele Menschen streben nach hohen Idealen, und überall ist das Leben voll von Heldentum. Sei du selbst.

Vor allem täusche keine Zuneigung vor. Sei auch nicht zynisch, was die Liebe angeht, denn sie ist trotz aller Trockenheit und Enttäuschung so beständig wie das Gras. Nimm freundlich den Rat der Jahre an, indem du die Dinge der Jugend anmutig aufgibst. Pflegt die Stärke des Geistes, um euch im plötzlichen Unglück zu schützen. Aber beunruhige dich nicht mit dunklen Vorstellungen. Viele Ängste entstehen durch Müdigkeit und Einsamkeit.

Abgesehen von einer gesunden Disziplin, sei sanft zu dir selbst. Sie sind ein Kind des Universums, nicht weniger als die Bäume und die Sterne; Sie haben ein Recht, hier zu sein. Und ob es Ihnen nun klar ist oder nicht, das Universum entfaltet sich zweifellos so, wie es sein soll. Seien Sie daher in Frieden mit Gott, was immer Sie sich von ihm vorstellen. Und was auch immer Ihre Arbeit und Ihr Streben sein mag, bewahren Sie in dem lärmenden Durcheinander des Lebens Frieden in Ihrer Seele. Mit all ihren Täuschungen, ihrer Plackerei und ihren zerbrochenen Träumen ist es immer noch eine schöne Welt. Sei fröhlich. Strebe danach, glücklich zu sein.

Max Ehrmann (1872 – 1945); der Verfasser war ein deutschstämmiger Rechtsanwalt aus Terre Haute (US-Bundesstaat Indiana). Die freie Prosa ist auch als "Lebensregel von Baltimore" bekannt. Ehrmann verwendete sie (im Original auf Englisch) 1933 als Teil der Weihnachtsgrüße an seine Freunde. Wörtlich bedeutet der Titel (von lat. "desiderare", „ersehnen“, „wünschen“) „das Ersehnte“ oder „ersehnte Dinge“.


Ich bin nicht ich.
Ich bin jener,
der an meiner Seite geht, ohne dass ich ihn sehe;
den ich manchmal aufsuche, um ihn zu sehen,
und den ich manchmal vergesse.

Derjenige, der still und ruhig ist, wenn ich spreche,
der verzeiht, süß, wenn ich hasse,
der geht, wo ich nicht bin,
derjenige, der stehen bleiben wird, wenn ich sterbe.

Juan Ramon Jimenez ("Yo no soy yo")


Kein Mensch kann hoffen, ein guter Philosoph zu werden, wenn er nicht bestimmte Gefühle hat, die nicht sehr verbreitet sind. Er muss ein intensives Verlangen haben, die Welt zu verstehen, soweit das möglich ist; und um des Verstehens willen muss er bereit sein, jene Engstirnigkeit der Anschauung zu überwinden, die eine richtige Wahrnehmung unmöglich macht.
Er muss lernen, nicht als Mitglied dieser oder jener Gruppe zu denken und zu fühlen, sondern einfach als Mensch. Wenn er das könnte, würde er sich von den Beschränkungen befreien, denen er als Mensch unterworfen ist. [Bertrand Russell; "The Art of Philosophizing and Other Essays"]


Überzeugungen sind vage und komplex, sie verweisen nicht auf eine bestimmte Tatsache, sondern auf mehrere vage Bereiche von Tatsachen. Anders als die schematischen Sätze der Logik sind Überzeugungen daher nicht exakt als wahr oder falsch abgegrenzt, sondern sind eine Unschärfe von Wahrheit und Falschheit; sie sind von unterschiedlicher Grauschattierung, niemals weiß oder schwarz.
Menschen, die ehrfürchtig von der "Wahrheit" sprechen, täten besser daran, von Tatsachen zu sprechen und zu erkennen, dass die ehrfürchtigen Qualitäten, denen sie huldigen, nicht in menschlichen Überzeugungen zu finden sind. Das hat nicht nur theoretische, sondern auch praktische Vorteile, denn die Menschen verfolgen sich gegenseitig, weil sie glauben, die "Wahrheit" zu kennen. Psychoanalytisch gesprochen kann man sagen, dass jedes 'große Ideal', das die Menschen mit Ehrfurcht erwähnen, in Wirklichkeit ein Vorwand ist, um ihren Feinden Schmerzen zuzufügen. [Bertrand Russell, Skeptische Essays (1928), Essay V: Philosophy in the Twentieth Century, S. 48]


Ich wollte eine neue Form der Kunst schaffen, eine Kunst, die den üblichen Theorien völlig gleichgültig ist, eine Kunst, die der Seele und den Sinnen gleichzeitig vollkommenen Genuss bereitet, wo Realität und Traum, Licht und Klang, Bewegung und Rhythmus eine aufregende Einheit bilden. [Loie Fuller (1862 – 1928) war eine US-Amerikanische Pionierin des modernen Tanzes und der Verwendung der Effekte von Licht]


Der Spiegel meiner Seele ist getrübt —
entstellt die Welt, die rein und leuchtend war!
Nun ist kein Wünschen und kein Wollen mehr:
Meine verängstete Seele bangt —schwankt hin und her.

Verwelkt die Kränze aus dem goldnen Jahr!
(Der Spiegel meiner -Seele ist getrübt)
Schon düstern Nebel, und es dunkelt sehr:
Eine verirrte Wolke zieht — flieht übers Meer.

Du höhst und blendest und verwirfst uns gar:
wer bist du, Gott, der sich so schaurig rächte?
Der Spiegel meiner Seele ist getrübt —
So ganz entstellt, was rein und leuchtend war,
und alles Süße, was der Tag gebar,
und alles Schaurige verhüllter Nächte.
Noch eine letzte bange Sehnsucht fleht,
die am verwunschenen Brunnen trinkt — sinkt und vergeht.

Karl Vollmoeller (1878 - 1948); Deutscher Lyriker und Mitglied des "George-Kreis". Die Gedichte des Neu-Romantikers nutzen in sehr subtiler Weise Bilder, die durch ihre Skizzenhaftigkeit an Monumentalität gewinnen. Die Nähe zu den Bildern von Gustav Klimt ist bestechend und beklemmend zugleich.


Geduld bedeutet zu Warten. Nicht passiv warten. Das ist Faulheit. Aber weitermachen, wenn es schwer und langsam vorangeht - das ist Geduld. Die beiden mächtigsten Kämpfer sind Geduld und Zeit. [Leo Tolstoi]


Ich glaub an eine Lehre,
von der man sagt, sie wäre
auf Erden selbst sich Lohn.
Die Lehre, die ich übe,
die Lehre heißt die Liebe.
Sie ist mir Religion.

Rainer Maria Rilke


Es ist so wenig, wessen man zu seinem Glück bedarf; es kommt da ganz auf den Reichtum der Seele an: ein lächelndes Kinderauge, ein schönes Gesicht, eine Blume in einem stillen Garten, ein Baum, der das Gold der Sonne trägt, eine wohlgeformte Vase, eine Perlenkette.
Das Glück ist nichts himmelstürmendes. Es schleicht sich still in unser Herz hinein. Aber es geht ein Leuchten von ihm aus wie von einer Kerze, deren Schimmer einen Raum geheimnisvoll belebt.

Paul Richard Luck (1880 - 1940)


Werd ich vergessen? Und wenn irgendwas
viel später zu mir kommt und mich daran
erinnert: Werd ich fremdhin fragen -: Wann -?
Kann Leben heißen: Zu vergessen, daß

mir Seligkeit, endlose unverkürzte
an einem Tage ward der rasch verrann
und dass dein Wesen sich in meines stürzte
aus deinen Augen, da ich kaum begann

dich anzusehn. Ich weiß von dir nicht mehr;
nur kommen mußtest du um jeden Preis,
und eine Stelle in mir ist jetzt leer
für alles das von dir was ich nicht weiß.

Rainer Maria Rilke; Geschrieben auf Capri, März 1907


Das Ewige ist stille,
laut die Vergänglichkeit,
schweigend geht Gottes Wille
über den Erdenstreit.

Wilhelm Raabe


Menschen mit neuen Ideen, Menschen mit der leisesten Fähigkeit, etwas Neues zu sagen, sind äußerst selten, außerordentlich selten sogar. [Fjodor Dostojewski]


Hebt mir von des Himmels Ecken
Nur die trüben Wolkendecken,
Laßt mich nur ins Klare sehn,
Sterne drehn,
Monde gehn,
Und die Sonn' im Glanze stehn.

Denn im Sonn- und Mondenglanze
Und im stillen Sternenkranze
Lächelt mir ein Angesicht;
Hör' ich nicht,
Wie es spricht:
Wir sind ewig Licht im Licht?

Friedrich Rückert


Jede echte Erzeugung der Kunst ist unabhängig, mächtiger als der Künstler selbst und kehrt durch ihre Erscheinung zum Göttlichen zurück und hängt nur darin mit dem Menschen zusammen, daß sie Zeugnis gibt von der Vermittlung des Göttlichen in ihm. [Ludwig van Beethoven]


Ich war schon groß,
als du noch klein.
In meinem Schatten
ruhten deine Ahnen,
die mich gepflanzt,
ehe sie dich kannten.

Gedicht an einen Baum, Autor Unbekannt.

Worte und Wörter

Sowohl "Worte" als "Wörter" sind Pluralformen von "Wort" — aber mit sehr unterschiedlicher Bedeutung.

"Wörter" bezieht sich auf mehrere einzelne Wörter (also nicht nur ein Wort sondern "viele"). Beispiele: Passwörter; Fremdwörter; Mehrere Wörter bilden einen Satz; Beim Spiel Scrabble werden Wörter gelegt.

"Worte" beschreiben einen Gedanken, Idee, etc. Beispiele: mir fehlen die Worte; Abschiedsworte; Große Worte, kleine Taten; Seine letzten Worte.

Häufig ist der Kontext ein bestimmendes Element, insbesondere bei den Wörtern "Stichwort" und "Sprichwort".


Die akademische Philosophie besteht hauptsächlich darin, zu wissen, was andere Philosophen gesagt haben, und ihre lebhafteren Anhänger können, wenn sie wollen, einige eigene Spekulationen über Themen hinzufügen, die denen ähneln, die von früheren Philosophen behandelt wurden. Es gibt keinen Grund, warum Menschen, die sich dieser Disziplin unterziehen, besonders weise oder besonders edel sein sollten. Auch ist ihre Arbeit in der Regel nicht von besonders großer Bedeutung. Es gibt keinen Grund, von den meisten Lehrern der Philosophie ein höheres Maß an Weisheit oder Mut zu erwarten als von Lehrern anderer Fächer.

Bertrand Russell; Kritik an der akademischen Philosophie

 

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