LiebesgedichteLiebesgedichte

Eine Liste der schönsten Weihnachtsgedichte - Klassiker als auch moderne; sowohl kurz als auch lang - und manche sind auch lustig.

Kinderverse

Weihnachtsmann, ich will artig sein,
bescher mir was in mein Schüsselein.
Äpfel, Nüsse, eins, zwei, drei,
und ein Püppchen auch dabei.


Kiek mal, wat lett de Himmel so rot!
Dat sünd de Engels, se backt dat Brot.
Se backt den Wihnachtsmann sin Stuten
vör all de lütten Leckersnuten.
Nu flink de Tellers ünnert Bett,
un leggt jo hen un wäst recht nett!
De Sünnerklaus steiht vör de Dör;
de Wihnachtsmann, de schickt em her.
Wat de Engels hewt backt, dat schüllt ji probeern,
un smeckt et good, so hört se dat geern,
un de Wihnachtsmann smunzelt: „Na backt man mehr!“
Och, wenn’t doch man erst Wihnachten weer!


Wiehnachtsmann, kiek mi an,
een lütt Deern bin ick man!
Feel to segn häb ick nich,
Wiehnachtsmann, vorget mi nich!


Advent, Advent, ein Lichtlein brennt.
Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier -
dann steht das Christkind vor der Tür.

 

Sieh auch diese hervorragende Sammlung von kurzen Weihnachtsgedichten.

 


Was ist's, das die beengte Brust
Mit Wonneschauer so durchbebt,
Den Geist zum Himmel hoch erhebt,
Ist's Ahnung hoher Götterlust?
Ja – springe auf, du armes Herz,
Ermutge dich zu kühnen Taten,
Umwandelt ist in Lust und Scherz
Der trostlos bittre Todesschmerz,
Die Hoffnung lebt – ich rieche Braten!

E. T. A. Hoffmann; Lebensansichten des Katers Murr


Ich werde an Weihnachten nach
Hause kommen.
Wir alle tun das oder sollten es
tun.

Wir alle kommen heim oder
sollten heimkommen,
für eine kurze Rast, je länger desto
besser, um Ruhe aufzunehmen
und zu geben.

Charles Dickens (1812-1870)


In der Stunde, in der alle
Dinge still werdend,
sich im Schatten bergend,
einen tiefen Frieden atmen…
schwebt ein leiser Engel
mit fast unbewegten Flügeln
langsam über unsere Erde,
schaut bewundernd auf
sie nieder.

Pjotr Andrejewitsch Wjasemski (1792-1878)


„Liebe Clara
Du weißt, was mir in meiner frühen Kindheit Weihnachten war; selbst noch dann, als die Militärschule mir ein wunderloses, hartes, unbegreiflich boshaftes Leben so glaubhaft vortäuschte, dass mir keine andere neben jener unverschuldeten Wirklichkeit möglich schien;
selbst dann noch war Weihnachten wirklich und war das, was mit einer Erfüllung herankam, die über alle Wünsche hinausging, und wenn es über die äußersten letzten nie noch gewünschten hinaus war, dann begann es erst recht, dann faltete es, das bisher gegangen war, Flügel aus und flog, flog, bis es nicht mehr zu sehen war und man nur noch die Richtung wusste, in dem großen fließenden Licht.

Da erst merkte ich, dass mir dieses Weihnachten noch da war und nicht wie eines, das einmal war und vergangen ist, sondern wie ein immerwährendes, ewiges Weihnachtsfest, zu dem das innere Gesicht sich hinwenden kann, sooft es seiner bedarf. Auf einmal war Freude und Seligkeit und Erwartung der anderen klein geworden dahinter.
Aus diesem allem entstand mir die Fähigkeit, diese Weihnachten einmal allein und doch nicht bange oder traurig zu sein….“

Brief von Rainer Maria Rilke, 1906 zur Weihnachtszeit an seine Frau Clara (geb. Westhoff).


Weihnachten ist kein Zeitpunkt
und keine Jahreszeit,
sondern ein Geisteshaltung.
Frieden und Wohlwollen
in seinem Herzen zu halten,
barmherzig und voll Dankbarkeit
zu sein, das heißt, den wahren
Geist der Weihnacht erkannt
zu haben.

Wenn wir an diese Dinge denken, wird in uns ein Erlöser geboren werden, und über uns wird ein Stern leuchten, der seinen Hoffnungsschimmer in die Welt schickt.

Calvin Coolidge (von 1923 bis 1929 der 30. Präsident der Vereinigten Staaten): An das amerikanische Volk, 24. Dezember 1930


Ich werde Weihnachten in meinem Herzen ehren und versuchen, es das ganze Jahr hindurch aufzuheben. [Charles Dickens (1812 - 1870); Eine Weihnachtsgeschichte (A Christmas Carol)].

Weihnacht in der großen Stadt

Seltsam schaut die Stadt heut aus:
Alle Fenster sind verdunkelt,
Und es flüstert und es munkelt
Sonderbar in jedem Haus.

Straßenbahnen läuten nicht.
Einsam leuchten die Laternen.
Und von oben aus den Sternen
Fällt der Schnee so weich und dicht.

Wie ein Riese schläft die Stadt,
Die der Himmel mit dem feinen
Weißen Schnee wie unter Leinen
Zärtlich eingemummelt hat.

In den Türmen hängen stumm
Große Klöppel im Gehäuse.
Nur der Wind weckt manchmal leis
In den Glocken ein Gebrumm.

Seltsam ruhig ist es heut
In den Straßen und den Gassen.
Selbst der Marktplatz ist verlassen
Und wie tot um diese Zeit.

Aber da mit einem Mal
Wehen in das Spiel der Flocken
Von den Türmen, von den Glocken
Silbertöne ohne Zahl.

Und die Kirchen, groß und schwer,
Öffnen mächtig die Portale,
Und da gehen mit einem Male
Wieder Menschen hin und her.

Stimmen lachen, Türen gehen,
Und in schmalen Fensterritzen
Kann ich etwas golden blitzen
Und verwirrend blinken sehn.

Plötzlich ist die Stadt erwacht.
Auch die Kinder hör ich wieder.
Und es tönen Weihnachtslieder
Fröhlich in die weiße Nacht.

James Krüss

Zu diesem Gedicht passt auch eine Textpassage aus dem Roman "Der Distelfink" von Donna Tartt (* 1963):

"Lexington Avenue. Feuchter Wind. Der Nachmittag war gespenstisch und nasskalt. Ich ging an der U-Bahn Station in der 51st und der 42nd Street vorbei und lief immer weiter, um den Kopf freizubekommen. Aschweiße Apartmentblocks.
Horden von Menschen auf den Straßen, beleuchtete Weihnachtsbäume, die hoch oben auf Penthouse-Balkonen funkelten, süßliche Musik, die aus Läden plätscherte, und während ich mir einen Weg durch die Massen bahnte, hatte ich das eigenartige Gefühl, ich wäre bereits tot und würde in einem Bürgersteiggrau wandeln, so endlos, dass die Straße oder selbst die ganze Stadt es nicht umfassen konnten, und meine Seele löste sich von meinem Körper und trieb unter anderen Seelen in einem Nebel irgendwo zwischen Gegenwart und Vergangenheit, Walk, Don´t Walk, einzelne Fußgänger, seltsam isoliert, einsam, leere Gesichter, die stur geradeaus starrten, Stöpsel in den Ohren, lautlos die Lippen bewegten, schalldicht abgedämmt gegen den Lärm der Stadt unter einem erdrückenden granitfarbenen Himmel, der die Straßengeräusche dämpfte, Müll und Zeitungen, Beton und Nieselregen, ein schmutziges Wintergrau, schwer wie Stein."

Geweihte Nacht

Die Erdennacht erzittert
von einem seligen Glanze
und von Geburt umwittert.

Die Berge knien im Lichte
und weiß die Anger blühen
den Glanz im Angesichte.

Und Könige ziehn und Weise
von einem Stern geleitet
verklärt in stummer Reise.

Die Wäldern ruhn verstummte
Herrscharen still am Wege
in Silberlicht vermummte.

Die Bäche beten leiser
in frommen Wiesengründen.
Lautlos gebeugt die Reifer.

Verschlafene Furchen dehnen
von süßen Saaten schwanger
den schmalen Leib in Sehnen.

Und Städte tiefer schlafen
und Hirten stehn geblendet
vom Glanze bei den Schafen.

Betreut vom Sternenfalle
ist einem Kind bereitet
Geburt in einem Stalle.

Von Seligkeit umstellt
sinkt eine Jungfrau nieder:
Nun komme, Heil der Welt.

Rudolf G. Binding (1867 - 1938)


Wir haben gestern Bescherung gehabt. Es war hübsch, und es wurde viel geschenkt, auch ein Bäumchen war da mit Kerzen. Ich konnte Ninon einiges schenken, was ihr Freude machte, und wurde selbst sehr beschenkt.

Aber es war mir, wie mein ganzes, jetziges Leben, alles doch viel zu hübsch, zu bürgerlich, spielerisch oder oberflächlich. Ich möchte, wenn ich etwas zu sagen hätte, viel lieber keinen Baum haben und keine Dienstboten vor überladenen Geschenktischen stehen haben, für die man vorher 14 Tage sich nervös gesorgt hat.

Ich hatte Freude, wurde aber sehr rasch müde und dachte an den alten Tolstoi, der sein Leben lang aus den gedeckten Tischen und wohlhabenden Manieren nicht recht heraus kam und im hohen Greisenalter heimlich weglief, um wenigstens draußen auf der Landstraße zu sterben. Kurz, es war mir etwas zu hübsch und alle die Schachteln mit guten Zigarren von Freunden und die Schachteln mit Pralinées und die Flaschen mit altem Cognac - es war wie bei einem Kommerzienrat, ich schämte mich eigentlich.

Hermann Hesse, in einem Brief vom Dezember 1932 an seine Schwester Adele


Wenn die 'Stille Zeit' vorbei ist, dann wird es auch wieder ruhiger. [Karl Valentin untergeschoben]


O selige Nacht! In himmlischer Pracht
erscheint auf der Weide ein Bote der Freude
den Hirten, die nächtlich die Herde bewacht.

Wie tröstlich er spricht: O fürchtet euch nicht!
Ihr waret verloren, heut ist euch geboren
der Heiland, der allen das Leben verspricht.

Seht Bethlehem dort, den glücklichen Ort!
Da werdet ihr finden, was wir euch verkünden,
das sehnlich erwartete göttliche Wort.

Christoph Bernhard Verspoel (1743 –1818)

Der Stern der Weihnacht

Es naht das Jahr sich seinem Ende,
Von unserm Leben war's ein Stück.
Wir falten sinnend unsre Hände
Und senden einen Blick zurück.

Da stehn sie auf, die goldnen Sterne,
Die uns im Jahreslauf gestrahlt;
In denen Phantasie so gerne
Sich eine Welt voll Glück gemalt;

Wo jedem ward nach Wunsch beschieden:
Gesundheit, Reichtum, Ruhm und Ehr,
Und Liebe, Freude, Seelenfrieden
Und was der Schätze sind noch mehr.

Nicht alles konnten wir erlangen,
Wir danken Gott, hat er's gewollt,
Daß von der Sterne lichtem Prangen
Uns blieb ein Körnlein echtes Gold.

Manch' schönen Stern verlockend winken
Sahn wir von ferne, aber jäh'
Als Irrlicht in den Sumpf versinken,
Gelangten wir in seine Näh'.

Auch manchen gab's, den wir erkoren,
Als unsers Strebens höchstes Ziel,
Und der, nachdem sein Glanz verloren,
Als toter Stein zur Erde fiel.

Ein andrer, als wir ausgestrecket,
Ihn zu erfassen, unsre Hand,
Hat sich im Nebelmeer verstecket
Und hinter dunkler Wolkenwand.

Noch viele sind vorbeigezogen,
Verschwindend in Unendlichkeit;
So hat uns Jahr für Jahr betrogen
Der Erdensterne Herrlichkeit.

Doch ob von unsern Hoffnungssternen
Der letzte zu versinken droht,
Ob er entrückt in weite Fernen,
Wir zagen nicht, es hat nicht Not.

Es gibt noch einen Stern voll Klarheit,
Der jede Erdennacht durchbricht,
Sein Träger ist die ew'ge Wahrheit,
Sein Feuer ist das ew'ge Licht.

Er strahlt mit seinem Glanzgefunkel,
In jede Hütte, jedes Herz,
Durch Sündennacht und Erdendunkel
Und mildert Sorge, Leid und Schmerz.<

Der Stern, der jede Seel' erfreuet,
Daß sie auf's neue hoffen lern',
Der Himmelsgold zur Erde streuet;
Es ist der Weihnacht heller Stern.

Der Stern, der einst das Heil verkündet,
Wird ungetrübt uns jedes Jahr
Als Flammenzeichen angezündet
Der Liebe, die unwandelbar.

Stine Andresen

Weihnachten

Liebeläutend zieht durch Kerzenhelle,
Mild, wie Wälderduft, die Weihnachtszeit
Und ein schlichtes Glück streut auf die Schwelle
Schöne Blumen der Vergangenheit.

Hand schmiegt sich an Hand im engen Kreise
Und das alte Lied von Gott und Christ
Bebt durch Seelen und verkündet leise,
Dass die kleinste Welt die größte ist.

Robert Gernhardt

Kindheitserinnerung

Die neue Puppe herzt' ich voll Entzücken,
Wie war sie schön im Brautkleid, braunen Locken
Und Spielzeug rings und Bücher — welch Frohlocken,
O, Christkind du! wie kannst du tief beglücken!

Es klang mein Jauchzen hell durch alle Zimmer —
Doch plötzlich schwieg ich, unterm Weihnachtsbaum
Stand ich versunken ganz in holdem Traum,
Umflossen von der Lichter heiligem Schimmer!

Der Süßigkeiten Duft, der Duft der Tanne,
Der Silberschmuck im roten Spiel der Flammen,
Das alles floß in Eines mir zusammen
Und hielt mich fest in andachtsvollem Banne!

Mein Kinderherz, es wuchs — ein Hauch von Reife
Flog schwermutsinnend über mein Gesicht,
Die Puppe warf ich weg, die leblos steife,
Und schrieb erglühend hin mein erst' Gedicht!

Sophie von Khuenberg; aus der Sammlung "Anhang. Lose Blätter."

Der Bratapfel

Verzeihen Sie, wenn ich störe!,
rief ein Apfel aus der Röhre.
Was ich erlebt, das glaubt man kaum -
ich hing an einem Apfelbaum.

Der Baum stand dicht vor einem Haus -
dort wohnt der Bauer Nikolaus.
Da sah ich nachts bei Mondes Schein,
es stieg ein Dieb zum Fenster rein.

Ich, um ihn zu vertreiben,
fiel ab und pochte an die Scheiben.
Der Dieb, der dachte sich: Oh-oh,
der ließ das Geld im Stich und floh.

So hab‘ ich Nikolaus beschützt –
es hat mir aber nichts genützt.
Mit grober Hand griff mich der Bauer,
besah mich lang und sagte: Sauer.

Nun muss ich hier im Topfe kochen,
mir ist das Herz schon fast gebrochen.
Das eine ist mir aber klar:
Die Menschen sind oft undankbar.

Joachim Ringelnatz

In der Christnacht

Ein Bettelkind schleicht durch die Gassen-
Der Markt lässt seine Wunder sehn:
Lichtbäumchen, Spielzeug, bunte Massen.
Das Kind blieb traumverloren stehn.

Aufseufzt die Brust, die leidgepresste,
Die Wimpern sinken tränenschwer.
Ein freudlos Kind am Weihnachtsfeste-
Ich weiß kein Leid, das tiefer wär.

Im Prunksaal gleißt beim Kerzenscheine
Der Gaben köstliches Gemisch,
Und eine reichgeputzte Kleine
Streicht gähnend um den Weihnachtstisch.

Das Schönste hat sie längst, das Beste,
Ihr Herz ist satt und wünscht nichts mehr.
Ein freudlos Kind am Weihnachtsfeste-
Ich weiß kein Leid, das tiefer wär.

Doch gälts in Wahrheit zu entscheiden,
Wer des Erbarmens Preis verdient-
Ich spräch: Das ärmste von euch beiden
Bist du, du armes reiches Kind!

Ottokar Kernstock

Weihnachten

Aus fernen Landen kommen wir gezogen;
Nach Weisheit strebten wir seit langen Jahren,
Doch wandern wir in unsern Silberhaaren.
Ein schöner Stern ist vor uns hergeflogen.

Nun steht er winkend still am Himmelsbogen:
Den Fürsten Juda’s muss dies Haus bewahren.
Was hast du, kleines Bethlehem, erfahren?
Dir ist der Herr vor allen hochgewogen.

Holdselig Kind, lass auf den Knie’n dich grüßen!
Womit die Sonne unsre Heimat segnet,
Das bringen wir, obschon geringe Gaben.

Gold, Weihrauch, Myrrhen, liegen dir zu Füßen;
Die Weisheit ist uns sichtbarlich begegnet.
Willst du uns nur mit einem Blicke laben.

August Wilhelm Schlegel

Weihnachten

Christabend.
Knirschender Schnee.
Eisige Blumen
An allen Fenstern.
Wie sitzt es sich wohlig
Im warmen Zimmer
Hinter der dampfenden
Punschterrine,
Lachende Augen um mich herum.
Fröhliche Worte
Und frohe Herzen.
Ei, Kinder, wie ist das behaglich!
Da wird einem warm,
Ruft Erinnerung wach
An die helle, freundliche Jugendzeit.
Und weißt du es noch?

Erste Strophe des Gedichts "Weihnachten" von Ludwig Thoma.
Anmerkung: Als "Punsch" (nach Hindi pā̃c, „fünf“) wird ein alkoholisches, meist heißes Mischgetränk bezeichnet, das ursprünglich aus Indien stammt und aus 5 Zutaten (daher der Name) besteht: Arrak, Zucker, Zitronen und Tee oder Wasser mit Gewürzen.
Eine europäische Variante auf der Basis von Rotwein, Gewürzen, Zucker und Rum erlangte durch den Film "Die Feuerzangenbowle" (1944), mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle, große Bekanntheit.

Die Apfelsine des Waisenknaben

Schon als kleiner Junge hatte ich meine Eltern verloren und kam in ein Waisenhaus in der Nähe von London. Im Grunde war es eine Art Gefängnis. Wir mussten oft 14 Stunden täglich arbeiten - im Garten, in der Küche, im Stall, auf dem Feld. Kein Tag brachte eine Abwechslung, und im ganzen Jahr gab es für uns nur einen einzigen Ruhetag. Das war der Weihnachtstag. Dann bekam jeder Junge eine Apfelsine zum Christfest. Das war alles - keine Süßigkeiten, kein Spielzeug.

Aber auch diese eine Apfelsine bekam nur derjenige, der sich im Laufe des Jahres nichts hatte zuschulden kommen lassen und immer folgsam war. Die Apfelsine an Weihnachten verkörperte die Sehnsucht eines ganzen Jahres. Und so war wieder mal das Christfest gekommen. Aber es bedeutete für mein Knabenherz fast das Ende der Welt. Während die anderen Jungen am Waisenvater vorbei schritten und jeder seine Apfelsine in Empfang nahm, musste ich in einer Zimmerecke stehen und zusehen. Das war meine Strafe dafür, dass ich eines Tages im Sommer hatte aus dem Waisenhaus weglaufen wollen.

Als die Geschenkverteilung vorüber war, durften die anderen Knaben im Hof spielen. Ich aber musste in den Schlafraum gehen und dort den ganzen Tag über im Bett liegen bleiben. Ich war tieftraurig und beschämt. Ich weinte und wollte nicht länger leben. Nach einer Weile hörte ich Schritte im Zimmer. Eine Hand zog die Bettdecke weg, unter der ich mich verkrochen hatte. Ich blickte auf. Ein kleiner Junge namens William stand vor meinem Bett, hatte eine Apfelsine in der rechten Hand und hielt sie mir entgegen. Ich wusste nicht, wie mir geschah.

Wo sollte eine überzählige Apfelsine hergekommen sein? Ich sah abwechselnd auf William und auf die Frucht und fühlte dumpf in mir, dass es mit der Apfelsine eine besondere Bewandtnis haben müsse. Auf einmal kam mir zu Bewusstsein, dass die Apfelsine bereits geschält war, und als ich näher hinblickte, wurde mir alles klar, und ich begann zu weinen, und als ich die Hand ausstreckte um die Frucht entgegenzunehmen, da wusste ich, dass ich fest zupacken musste, damit sie nicht auseinanderfiel.

Was war geschehen? Zehn Knaben hatten sich im Hof zusammengetan und beschlossen, dass auch ich zu Weihnachten meine Apfelsine haben müsse. So hatte jeder die seine geschält und eine Scheibe abgetrennt, und die zehn abgetrennten Scheiben hatten sie sorgfältig zu einer neuen, schönen, runden Apfelsine zusammengesetzt. Diese Apfelsine war das schönste Weihnachtsgeschenk in meinem Leben!

Charles Dickens

Weihnachtsabend

„Ich verkünde große Freude,
Die Euch widerfahren ist;
Denn geboren wurde heute
Euer Heiland Jesus Christ!“

Jubelnd klingt es durch die Sphären,
Sonnen kündens jedem Stern,
Weihrauch duftet auf Altären
Glocken klingen nah und fern.

Tageshell ist’s in den Räumen,
alles atmet Lust und Glück
Und an bunt behangnen Bäumen
Hängt der freudetrunkne Blick.

Fast ist’s, als ob sich die helle
Nacht in Tag verwandeln will;
Nur da oben in der Zelle
Ist’s so dunkel, ist’s so still.

Unten zieht des Festes Freude
Jetzt in alle Herzen ein;
Droben ist mit seinem Leide,
Seinem Grame er allein.

Drunten wogt es durch die Gassen
Lebensfrisch und lebensrot
Droben kämpft mit leichenblassen
Angesicht er mit dem Tod.

Zitternd lehnt er an der Mauer
Von des Fiebers Angst umkrallt
Und es fliegen tiefe Schauer
Durch die zuckende Gestalt.

Seine bleichen Lippen beben
Fieberhaft erglüht das Hirn,
An den kalten Eisenstäben
Kühlt er seine heiße Stirn

Betend faltet er die Hände,
Hebt das Auge himmelan:
„Vater, gib ein selig Ende
Dass ich ruhig sterben kann.“

Blicke auf Dein Kind hernieder
Das sich sehnt nach Deinem Licht,
Der Verlorne naht sich wieder,
Geh mit ihm nicht ins Gericht.

Da erbraust im nahen Dome
Feierlich der Orgel Klang
Und im majestätschen Strome
Schwingt sich auf der Chorgesang:

„Herr, nun lassest Du in Frieden
Deinen Diener schlafen gehn
Denn sein Auge hat hienieden
Deinen Heiland noch gesehn.“

Und der Priester legt die Hände
Segnend auf des Toten Haupt.
„Selig ist, wer bis ans Ende
An die ewge Liebe glaubt.

Selig, wer aus Herzensgrunde
Nach der Lebensquelle strebt
Und noch in der letzten Stunde
Seinen Blick zum Himmel hebt

Suchtest Du noch im Verscheiden
Droben den Versöhnungsstern,
Wird er Dich zur Wahrheit leiten
Und zur Herrlichkeit des Herrn.

Darum gilt auch Dir die Freude,
Die uns widerfahren ist;
Denn geboren wurde heute
Auch Dein Heiland Jesus Christ!“

Karl May

Christbaum

Der Winter ist ein karger Mann,
er hat von Schnee ein Röcklein an;
zwei Schuh von Eis
sind nicht zu heiß;
von rauhem Reif eine Mütze
macht auch nur wenig Hitze.

Er klagt: „Verarmt ist Feld und Flur!"
Den grünen Christbaum hat er nur;
den trägt er aus
in jedes Haus,
in Hütten und Königshallen:
den schönsten Strauß von allen!

Friedrich Wilhelm Weber

Drei Könige

Drei Könige ziehen landein, landaus
und kehren wieder im jährlichen Kreis,
drei wandernde Könige ohne Haus –
sie suchen den Stern, den niemand weiß.

Wo irgend verloren ein Licht erglüht,
da sind sie nächtlicher Weile zu Gast,
sie singen ein fremdes, vergessenes Lied,
dass dich ein süßes Heimweh erfaßt.

Sie ziehen drei schützende Ringe ums Haus,
daran die Welle der Zeit zerbricht,
und spenden die dreifache Gabe aus
von Weihrauch, von Myrrhen, von goldenem Licht.

Sie scheiden, sie wandern für und für –
horch, Herz, in die einsame Nacht hinein,
es gehen viel Füße, laß offen die Tür:
Es werden vielleicht die drei Könige sein.

Hans Leifhelm (1891 – 1947)

Echte Amaryllis: Skizze

Amaryllis belladonna (Echte Amaryllis), Illustration aus "Flore des serres" Band 14, 1861
Amaryllis L. ist eine botanische Gattung aus der Familie der Amarillidaceae, die zwei Arten von krautigen, mehrjährigen und zwiebelartigen Pflanzen umfasst, die in Südafrika heimisch sind. Bei der zur Advents- und Weihnachtszeit verkauften „Amaryllis“ handelt es sich nach heutiger botanischer Systematik um die Gattung Hippeastrum (Rittersterne).


Winterlandschaft

Unendlich dehnt sie sich, die weiße Fläche,
Bis auf den letzten Hauch von Leben leer;
Die muntern Pulse stocken längst, die Bäche,
Es regt sich selbst der kalte Wind nicht mehr.

Der Rabe dort, im Berg von Schnee und Eise,
Erstarrt und hungrig, gräbt sich tief hinab,
Und gräbt er nicht heraus den Bissen Speise,
So gräbt er, glaub' ich, sich hinein ins Grab.

Die Sonne, einmal noch durch Wolken blitzend,
Wirft einen letzten Blick auf's öde Land,
Doch, gähnend auf dem Thron des Lebens sitzend,
Trotzt ihr der Tod im weißen Festgewand.

Friedrich Hebbel; „Vom Reichtum der deutschen Seele – Ein Hausbuch deutscher Lyrik“; hrsg. von Georg Virnsberg, verlegt bei Dollheimer, Leipzig, 1928

Christbaum

Hörst' auch Du die leisen Stimmen
Aus den bunten Kerzlein dringen?
Die vergessenen Gebete
Aus den Tannenzweiglein singen?

Hörst' auch Du das schüchternfrohe,
Helle Kinderlachen klingen?
Schaust' auch Du den stillen Engel
Mit den reinen, weißen Schwingen?

Schaust' auch Du Dich selber wieder
Fern und fremd nur wie im Traume?
Grüßt auch Dich mit Märchenaugen
Deine Kindheit aus dem Baume?

Ada Christen


Tauet, Himmel, den Gerechten,
Wolken, regnet ihn herab!
Also rief in bangen Nächten
einst die Welt, ein weites Grab.

In von Gott verhaßten Gründen
herrschten Satan, Tod und Sünden,
fest verschlossen war das Tor
zu dem Himmelreich empor.

Peter Rosegger; aus der Kurzgeschichte "Als ich Christtagsfreude holen ging"


Es gibt so wunderweiße Nächte,
drin alle Dinge Silber sind.
Da schimmert mancher Stern so lind,
als ob er fromme Hirten brächte
zu einem neuen Jesuskind.

Weit wie mit dichtem Diamantenstaube
bestreut, erscheinen Flur und Flut,
und in die Herzen, traumgemut,
steigt ein kapellenloser Glaube,
der leise seine Wunder tut.

Rainer Maria Rilke


|: Als ich bei meinen Schafen wacht',
ein Engel mir die Botschaft bracht'. :|
Des bin ich froh,
bin ich froh, froh, froh, froh, o, o, o!
Benedicamus Domino,
benedicamus Domino.

|: Er sagt’, es soll geboren sein
zu Bethlehem ein Kindelein. :|
Des bin ich froh…

|: Er sagt’, das Kind liegt dort im Stall
und soll die Welt erlösen all’. :|
Des bin ich froh…

|: Als ich das Kind im Stall geseh’n,
nicht wohl konnt’ ich von dannen geh’n. :|
Des bin ich froh…

|: Das Kind mir sein’ Äuglein wandt,
mein Herz gab ich in seine Hand. :|
Des bin ich froh…

|: Demütig küßt’ ich seine Füß’,
davon mein Mund ward zuckersüß’. :|
Des bin ich froh…

|: Als ich heimging, das Kind wollt’ mit
und wollt’ von mir abweichen nit. :|
Des bin ich froh…

|: Das Kind legt’ sich an meine Brust
und macht’ mir da all’ Herzenslust. :|
Des bin ich froh…

|: Den Schatz muss ich bewahren wohl,
so bleibt mein Herz der Freuden voll. :|
Des bin ich froh…

Volksgut


"Lieber Freund, mir ist die ganze Zeit so nach Weihnachten zumute und mir ist so, als müsste ich zu Ihnen kommen und Ihnen das sagen.
Es ist solch ein wunderbares Fest, und ist eins, das lebt und wärmt. Es ist ein Fest für die Menschheit. Es kommt über einen, und legt sich warm und weich auf einen und duftet nach Tannen und Wachskerzen und Lebkuchenmännern und nach vielem, was es gab und nach vielem, was es geben wird.
Ich habe das Gefühl, dass man mit Weihnachten wachsen muss. Mir ist, als ob dann Barrikaden fallen, die man mühsam und kleinlich gegen so vieles und viele aufgebaut hat, als ob man weiter würde und das Gefäß allumfassender, auf dass darin jedes Jahr eine neue weiße Rose aufblühe und den andern zuwinkt und in sie hineinleuchtet und ihnen die Wange streicht mit ihrem Geschimmer und die Welt erfüllt mit Schönheit und Duft."

Auzug aus einem Brief von Paula Modersohn-Becker (1876-1907) an Rainer Maria Rilke (1875-1926).


 

 

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