Eine Liste der schönsten Sommergedichte - Klassiker als auch moderne; sowohl kurz als auch lang - und manche sind auch lustig.
Weiße Wolken
Weiße Wolken gehn im Blauen;
als, ein Kind, im Gras ich lag,
liebt' ich's ihnen nachzuschauen,
träumte einen schönen Tag.
Weiße Wolken wandern immer,
und ich freu, ein alter Mann,
mich an ihrem lichten Schimmer,
denk an meine Jugend dann.
Weiße Wolken werden wandern,
wenn ich lange nicht mehr bin;
träumt ein Hügel unter andern,
und sie ziehen oben hin.
Gustav Falke; Aus der Sammlung "Heimat und Seele"
Hochsommer
In schwüler Mittagsstunde
Lieg' ich am Bach ins Gras gestreckt;
Kein Laut in weiter Runde,
Der mich aus dämmerndem Traume weckt.
Leicht in den Lüften weben
Sommerfäden den silbernen Zwirn,
Halme und Gräser schweben
Über der Brust mir und über der Stirn.
Und Bienen und Schmetterlinge
Blaue Libellen umsummen mich leis:
Viel süßere, heimliche Dinge
Trag' ich im Herzen, die keiner weiß.
Buntschimmernde Liebesgedanken,
Lange verborgen in tiefer Gruft,
Sie heben die Flügel, die schwanken,
Und schwirren hinaus in den Sommerduft.
Ich seh' sie flattern und gaukeln
Um wehende Gräser im Sonnenstrahl,
Wie Elfen auf Blumen sich schaukeln,
Ein lustiges Völkchen allzumal.
Freut euch, ihr goldnen Dinger,
Die Lust wird rasch zu Ende sein,
Des Herzens dunkler Zwinger
Schließt bald euch alle wieder ein.
Richard von Volkmann (1830 - 1889)
Sommertraum
Golddurchflammte Ätherwogen,
schwerer Äste grüne Bogen,
süss verwob'ne Träumerei'n ...
Sommer, deine warmen Farben,
helle Blumen, gold'ne Garben
leuchten mir ins Herz hinein ...
In dem Wald, dem dämm'rig düstern,
hörst du's rauschen, lispeln, flüstern,
Elfenmärchen - Duft und Schaum ...?
Blumenkinder nicken leise,
lauschen fromm der alten Weise
von des Waldes Sommertraum ...
Und der See, der windumfächelt
lallend plätschert, sonnig lächelt,
netzt das Schilf aus lauem Born ...
Rosen blühen am Gelände,
Rosenglut, wo ich mich wende,
und im Herzen tief ein Dorn ...
Lisa Baumfeld (1877 - 1897)
Sommerfrische
Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß,
Das durch den sonnigen Himmel schreitet.
Und schmücke den Hut, der dich begleitet,
Mit einem grünen Reis.
Verstecke dich faul in der Fülle der Gräser
Weil`s wohltut, weil`s frommt.
Und bist du ein Mundharmonikabläser
Und hast eine bei dir, dann spiel, was dir kommt.
Und lass deine Melodien lenken
Von dem freigegebenen Wolkengezupf.
Vergiss dich. Es soll dein Denken
Nicht weiter reichen als ein Grashüpferhupf.
Joachim Ringelnatz
Er lag im Dunkeln wach und sah zum Fenster hinüber. Gardinen türmten sich, eine hohe, geteilte Woge, vom Fußboden bis fast zur Decke. Durchsichtig, faltenreich, an den inneren Kanten ausgezackt wie die Schalenränder eines Seetiers, bewegten sie sich sanft in dem Luftzug, der durch das offene Fenster hereindrang.
Wo das Karbidlicht der Straßenlampe auf sie fiel, waren sie weiß wie Zucker. Das üppige Blattwerk, das maschinell hineingewebt war, hob sich im Schein des Lichtes in einem noch grelleren Weiß ab, während es an anderen Stellen in dem schlaff herabhängenden Stoff fast schwarz erschien.
Das Licht warf die Schatten sich bewegender Blätter auf die Gardinen, und diese Schatten bewegten sich mit den wehenden Gardinen und auf dem glatten Glas dahinter.
Wo das Licht die Blätter traf, schienen sie in einem bitteren Grün zu brennen. Anderswo waren sie dunkelstes Grau und noch dunkler. Unter jedem dieser zu Tausenden dicht aneinander gedrängten Blättern lag entweder unnatürliche Licht oder reichstes Dunkel. Und während der Baum sich still in seinem Schlaf bewegte, wurden alle Blätter geschüttelt, ohne einander zu berühren.
Direkt gegenüber seinem Fenster war ein anderes. Und auch hinter diesem offenen Fenster hingen Gardinen, die sich bewegten, und auf diesen Gardinen bewegten sich die vielfältigen Schatten anderer Blätter. Das Zimmer hinter den Fensterscheiben und den Gardinen war ebenso dunkel wie sein eigenes.
Er hörte die Sommernacht.
James Agee (1909 - 1955); Roman: "Ein Todesfall in der Familie"
Juni
Juni streift mit warmer Hand
letzte Blüten von den Bäumen.
Wie enttaucht verwelkten Träumen,
schaut aus dunkler Blätterwand
junge Frucht in lichtes Land.
Fridolin Hofer (1861 - 1940)
Sommer
Weißt du, wie der Sommer riecht?
Nach Birnen und nach Nelken, nach Äpfel
Und Vergissmeinnicht, die in der Sonne welken,
Nach heißem Sand und kühlem See und
Nassen Badehosen, nach Wasserball
Und Sonnencrem', nach Straßenstaub und Rosen.
Weißt du, wie der Sommer schmeckt?
Nach gelben Aprikosen und Walderdbeeren,
Halb versteckt zwischen Gras und Moosen,
Nach Himbeereis, Vanilleeis und Eis aus Schokolade,
Nach Sauerklee vom Wiesenrand und Brauselimonade.
Weißt du, wie der Sommer klingt?
Nach einer Flötenweise, die durch die Mittagsstille dringt,
Ein Vogel zwitschert leise, dumpf fällt ein Apfel in das Gras,
Ein Wind rauscht in den Bäumen, ein Kind lacht hell,
dann schweigt es schnell und möchte lieber träumen.
Ilse Kleberger (1921 - 2012) - deutsche Ärztin und Schriftstellerin
Der Sommer
Wenn dann vorbei des Frühlings Blüte schwindet,
So ist der Sommer da, der um das Jahr sich windet.
Und wie der Bach das Tal hinuntergleitet,
So ist der Berge Pracht darum verbreitet.
Daß sich das Feld mit Pracht am meisten zeiget,
Ist, wie der Tag, der sich zum Abend neiget;
Wie so das Jahr verweilt, so sind des Sommers Stunden
Und Bilder der Natur dem Menschen oft verschwunden.
Friedrich Hölderlin (1770 - 1843)
Spätsommer
Noch einmal, ehe der Sommer verblüht,
wollen wir für den Garten sorgen,
die Blumen giessen, sie sind schon müd,
bald welken sie ab, vielleicht schon morgen.
Noch einmal, ehe wieder die Welt
irrsinning wird und von Kriegen gellt,
wollen wir an den paar schönen Dingen
uns freuen und ihnen Lieder singen.
Hermann Hesse
„Draußen rauschten die Wellen der Donau ihr uraltes Lied von Werden und Vergehen. Sie trugen die Sterne mit und die weißen Wölklein, den blauen Himmel und den Mond. In heißduftenden Jasminbüschen lag die Nacht und hielt den Wind in ihren weichen Armen, dass nicht der leiseste Hauch durch die schwüle Welt ging.“
Joseph Roth (1894 - 1939); Meistererzählungen: Der Vorzugsschüler„Ein leidenschaftlicher und raschlebiger Sommer war angebrochen. Die heißen Tage, so lang sie waren, loderten weg wie brennende Fahnen, den kurzen schwülen Mondnächten folgten kurze schwüle Regennächte, wie Träume schnell und mit Bildern überfüllt fieberten die glänzenden Wochen dahin.
Klingsor stand nach Mitternacht, von einem Nachtgang heimgekehrt, auf dem schmalen Steinbalkon seines Arbeitszimmers. Unter ihm sank tief und schwindelnd der alte Terrassengarten hinab, ein tief durchschattetes Gewühl dichter Baumwipfel, Palmen, Zedern, Kastanien, Judasbaum, Blutbuche, Eukalyptus, durchklettert von Schlingpflanzen, Lianen, Glyzinen. Über der Baumschwärze schimmerten blaßspiegelnd die großen blechernen Blätter der Sommermagnolien, riesige schneeweiße Blüten dazwischen halbgeschlossen, groß wie Menschenköpfe, bleich wie Mond und Elfenbein, von denen durchdringend und beschwingt ein inniger Zitronengeruch herüberkam...“
Hermann Hesse; Die expressionistischen Künstler-Erzählung "Klingsors letzter Sommer" (1919) trägt autobiographische Bezüge.
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